Reichenberger Straße 86, Kreuzberg Berlin, Fotografie © Jan Bitter
Wohnhaus mit begrünter Fassade in Berlin-Kreuzberg
Sechsgeschossiges Wohnhaus mit Vertical-Garden-Fassade
Standort: Glogauer Straße / Reichenberger Straße, Berlin- Kreuzberg
Fertigstellung: Winter 2016/17
Mit dem neuen Wohnhaus Glogauer Straße Ecke Reichenberger Straße in Berlin-Kreuzberg wurde ein Gebäude errichtet, das sich harmonisch in die vorhandene Blockrandbebauung des Stadtteils einfügt und diese um einen grünen Akzente bereichert. Der Neubau liegt direkt an einer viel befahrenen Kreuzung, in einem Stadtteil, in dem Wohn- und Gewerbenutzung Tür an Tür liegen. Bei dem Grundstück handelt es sich um eine Baulücke aus dem 2. Weltkrieg, die bis zum Baubeginn dieses Projektes lange als privater Parkplatz für benachbarte Gewerbe genutzt wurde. Die Wiederherstellung des städtischen Gefüges an dieser Stelle war lange überfällig. Das neue Gebäude bietet im Erdgeschoss Raum für eine Gewerbeeinheit, während darüber auf fünf Geschossen Wohnungen errichtet wurden. Der Kreuzung zugewandt entstand ein Eckturm, als Reminiszenz an die historische Bauweise in diesem Teil Kreuzbergs, in dem die Ecken der Gebäudeblöcke oft als Türme zu den Straßenkreuzungen ausgestaltet wurden.
Aktuelles:
Neue Publikation, 2023: "The Dream – Play – Challenge Project. Facing up to the Crisis in Residential Living." Wiltrud Simbürger und Sarah Riviere [Hg.].
Blick auf die begrünte Wand, Juni 2017, Fotografie © Jan Bitter
Ein urbaner vertikaler Garten
Mit seiner Architektur kann das Gebäude in dem über Jahre gewachsenen Stadtteil seinen Platz einnehmen ohne aufdringlich zu wirken. Es passt sich harmonisch in die umliegenden Baustile ein und bringt gleichzeitig seinen eigenen, klaren und unverwechselbaren, ökologischen Standpunkt zum Ausdruck.
Aus dem Impuls einer ökologischen Zukunft und als Teil einer grünen Agenda für das Gebäude wurde auf der Seite der Glogauer Straße eine vertikale „Living Wall“ gebaut, eine bepflanzte Fassade, die Verkehrsbelästigungen und Lärm aus den angrenzenden Straßen absorbiert. Rechteckige Balkone ragen direkt aus der grünen Wand heraus. über die Balkone vom ersten bis vierten Stock der Glogauer Straße wird die vertikale grüne Wand bewohnbar gemacht. Man steht auf den Balkonen quasi mitten im Garten. Für die „Living Wall“ wurden winterharte Pflanzen ausgewählt, die über ein präzise gesteuertes Irrigationssystem bewässert und gedüngt werden. Zweimal jährlich werden sie dann außerdem mit einem „Cherrypicker“ von der Straße aus gärtnerisch gepflegt. Im Erdgeschoss des Hauses, öffnet sich die Fassade über große, drei Meter hohe Fenster: Passanten werden so zu einem Besuch in der Gewerbeeinheit eingeladen. Die Gebäude- Ecke ist zur Kreuzung abgerundet. Auf der anderen Seite ist die Fassade ruhiger und passt sich an die Architektur der Reichenberger Straße an, die in ihrer städtischen Artikulation relativ homogen ist - französische Balkone schmiegen sich hier eng an das Gebäude an.
Räume Maisonette-Wohnung, Juni 2017, Fotografie © Sarah Rivière
Ein Haus als Zeichen für eine ökologische Zukunft
Der ökologische „Footprint“ des Neubaus ist sehr gering. Auf einen Grundstück von 660 qm wurde im 2. Weltkrieg eine Fläche von nur 165 qm weggebombt. Nach dem Krieg hat man die zwei beschädigten, aber noch bewohnbaren Teile des Hauses in der Glogauer und Reichenberger Straße instandgesetzt. Die Trümmer des zerstörten Eckgebäudes nutzte man um den Keller des Eckhauses zu verfüllen. Es entstand ein Parkplatz. Bei der Beseitigung der Kellerverfüllung wurden die Kellerwände und die ursprünglichen Fundamente in gutem Zustand vorgefunden. Das neue Eckgebäude steht jetzt auf den alten Backsteinkellerwänden und den Fundamenten von 1885. Dadurch konnten die Baukosten und die Menge der neu zu verwendenden Materialien, vor allem Beton, für das Projekt erheblich reduziert werden. Aus ökologischen Gründen wurde der Neubau von der 1. Etage bis unter das Dachgeschoss in mit vulkanischem Perlit verfüllten Ziegelsteinen errichtet, die es, in Kombination mit doppelverglasten Berliner Holzfenstern ermöglichen, dass das Gebäude problemlos die Werte der EnEV erreicht. Eine Fernwärmeheizung stellt sicher, dass auch der Betrieb des Hauses bestmögliche ökologische Anforderungen erfüllt.
Fassade von zwei Straßenseiten, Juni 2017, Fotografie © Jan Bitter
Die beiden neuen Berliner Dächer zur Glogauer und Reichenberger Straße wurden als begrünte Dächer gebaut. Die Neugestaltung des Hinterhofes bietet den Bewohnern und den im Haus lebenden Kindern einen geschützten Garten mit einem Spielmöglichkeiten. Eine Rampe an der neuen Kellertreppe im Neubau schafft in der wieder belebten Kellerfläche zusätzliche Fahrradstellplätze.
Räume Maisonette-Wohnung, Juni 2017, Fotografie © Sarah Rivière
Räume und Terrasse Maisonette-Wohnung, Juni 2017, Fotografie © Sarah Rivière
Grundrisse und Nutzung
Im Erdgeschoss des Neubaus war eine Gewerbeeinheit geplant - eine Bar mit „Kicker“ Tischen und zwei großen Bildschirmen für Live- Sport-Events. Um die Nutzfläche der Bar zu erhöhen und Platz für Nebenräume (WCs, Küche usw.) zu schaffen, wurde eine vorher lange ungenutzte Gewerbeeinheit im Altbau der Glogauer Straße 9 in das Projekt einbezogen. Jetzt reicht die Bar durch den Neubau in den Altbau hinein und bietet zur Glogauer Straße hin eine längere Fassade.
Der Zugang zu den fünf neuen Wohnungsgeschossen erfolgt über ein Treppenhaus mit Aufzug, der bis zu einer Gemeinschaftsterrasse auf dem Dach des Eckturms führt. Auf jedem Geschoss befinden sich zwei kleine Wohnungen, die nach Bedarf zu einer größeren Wohneinheit zusammengelegt werden können. So kann flexibel auf zukünftige Wohnbedürfnisse, zum Beispiel für Familien, reagiert werden. Da das Areal im Flächennutzungsplan für Berlin als M2 (gemischte Baufläche) definiert ist, beschlossen die Bauherren, für den Neubau einen Bauantrag für Ferienwohnungen zu stellen. Die 12 Ferienwohnungen im Neubau wurden so entworfen, dass sie jederzeit in Wohnungen zur langfristigen Nutzung umgebaut werden können. Auf dem Eckturm zur Straßenkreuzung wurde eine Terrasse gebaut, die nicht einer einzelnen Wohneinheit zugeordnet ist, sondern als Gemeinschaftsterrasse dem ganzen Haus zur Verfügung steht. Unter den Dächern der Glogauer Straße entstand eine größere Wohnung, über dem Altbau in der Reichenberger Straße eine Maisonette-Wohnung. Jede der beiden Wohneinheiten verfügen über eine Terrasse zum Hof.